Ein außergewöhnliches Traimer-Sparkassenplakat
Das Mai-Plakat „Setz dein Geld aufs rechte Pferd“ (Abb. 222) nimmt durch seine Gestaltung eine Sonderstellung im Plakatjahr 1958 (Abb. 223, 224) ein, da Heinz Traimer hier keine reinbunten Farbflächen nutzt.
Es zeigt stilisiert einen Jockey auf einem galoppierenden Pferd vor einem mehrfarbigen Hintergrund.
Ein Sparkassenbuch als Pferd mit einer Banknote als Reiter
Eine als Jockey angedeutete Figur, deren Torso und Beine aus einer 100-Schilling-Banknote bestehen und die einen Kopf mit einer 1-Schilling-Münze besitzt, wird durch gemalte Arme sowie einer Kappe ergänzt. In der rechten Hand hält der Reiter eine Gerte und mit seiner linken die Zügel des Pferdes.
Das Pferd dessen Körper großenteils aus einem Sparkassenbuch besteht, streckt alle vier Beine von sich.
Der Hintergrund mit seinen verschiedenen Farbtönen, vorzugsweise Grüntöne, wird von der linken Bildhälfte zur rechten hin deutlich heller.
Unterhalb des Sparkassenbuch-Pferdes befindet sich die Werbebotschaft in schwarzer Schrift: „Setz dein Geld aufs rechte Pferd“.
Den unteren Teil des Plakats nimmt das nach rechts oben hin ansteigendes Textfeld (Leiste) ein, das von einem grünen Sparkassenlogo unterbrochen wird.
Angedeutet wird hier der Teilnehmer eines Pferderennens. Der Jockey läuft vermutlich gerade siegreich ins Ziel ein. Diese Annahme beruht auf der Darstellungsweise des Pferdes, das in höchster Geschwindigkeit zu galoppieren scheint, wie aus der Dynamik der Malweise hervorgeht. Der Pferdeschweif und die Mähne sind durch die schnelle Bewegung in die Luft gewirbelt worden. Die Beine des Tieres befinden sich in der Luft. Das Maul des munter wirkenden Pferdes steht offen und das Auge scheint dem Reiter zugewandt zu sein.
Entspannt trotz rasanter Geschwindigkeit - dank des Sparkassenbuches
Trotz der rasanten Geschwindigkeit sitzt der Reiter in aufrechter Position. Er muss sich nicht einmal richtig festhalten. Die Konturlinien des Pferdekörpers sind mehrfach gebrochen, dadurch wird der zeichnerische Aspekt deutlich verringert und das Malerische in den Vordergrund gestellt. Zugleich zeigt Traimer mit dieser Malweise, dass in der Eile scheinbar gar keine Zeit mehr für eine sorgfältige Linienführung bestand.
Die Dynamik eines Rennens wird zusätzlich zu den Bewegungsmomenten des Pferdes durch die schnelle nicht minutiöse Malweise mit ihren einzeln aneinandergesetzten teilweise übereinandergelegten Farbschichten betont. Bei schneller Bewegung, zum Beispiel in einem fahrenden Auto oder Zug wird das Phänomen der verschwimmenden Farben deutlich.
Wo sich das Pferd befindet, auf einem Rasen oder vor Sträuchern, darf spekuliert werden.
Das Plakat nimmt Kunstströmungen der 1950er Jahre auf
Die Farbensymbolik arbeitet mit Hell-dunkel-Kontrast (von links nach rechts) und mit Komplementärfarben dunkelgrün und rot, sowie blau (Mütze) und gelb (Hintergrund). Insgesamt erinnert das Plakat an die impressionistische Malweise oder an Arbeiten von Marc Chagall. Chagalls Radfahrer (Abb. 58) zeigen ebenfalls ausgefranste starke Konturlinien, einen farbharmonischen Hintergrund mit wenigen Komplementärfarben.
Farbenfroh und zum Sparen anregend - das Plakat zum Erfolg
Der Werberat der Sparkassen kommentierte das Plakat folgend: „ Wenns Mailüfterl weht, neigt man gern dazu, ein bisschen leichtsinnig zu werden, und das Geld sitzt locker in der Tasche. Der eine spekuliert, der andere wettet oder hat „todsichere Tips“ in Aussicht. Ihnen allen können wir einen viel besseren Rat geben: „Setz dein Geld aufs rechte Pferd!“. Man sieht, dort fühlt es sich recht wohl, und die Erfolge bleiben nicht aus. Das farbenfrohe Frühlingsplakat wird sicher manchen überzeugen.“[1].
Text: Matthias Bechtle, Wien 2012.
[1] Betriebswirtschaft und S Werbung, 5. Jahrgang, Heft 6, November/Dezember 1957, VS.